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Das Leopold Museum ist ein 2001 eröffnetes Kunstmuseum in Wien, das für seine außergewöhnliche Schiele- und Klimt-Sammlung bekannt ist. Die Bestände des Leopold Museums wurden vom Kunstsammler Rudolf Leopold (1925–2010) und seiner Ehefrau Elisabeth Leopold (1926–2024) gesammelt und sind seit 1994 Eigentum der „Leopold Museum-Privatstiftung“. Das Museum ist eine der wichtigsten Sehenswürdigkeiten des ebenfalls 2001 eröffneten MuseumsQuartiers (MQ).
Ernst Barlach teilte wie viele Intellektuelle und Künstler die
Kriegsbegeisterung der Massen. Er erhoffte sich vom Krieg einen
grundlegenden Wandel der starren gesellschaftlichen Verhältnisse und
eine Besinnung auf geistige Fragen. Trotz dieser Einstellung blieb er
auch zu Kriegsbeginn ein genau beobachtender Künstler, der die
grausamen Auswirkungen der Geschehnisse an der Front nachdenklich
reflektierte. Die Konzeption des Schwertkämpfers greift auf eine
Zeichnung zur Apokalypse aus dem Jahr 1912 zurück. So wie diese scheint
auch Der Rächer mit seinem weit nach vorne geschobenen Oberkörper die
Gesetze der Schwerkraft aufzuheben. Die scharfkantigen geometrischen
Formen, aus denen sich die Figur zusammenfügt, zeigen, dass sich
Barlach auch mit den neuen Gestaltungsprinzipien des Kubismus und
Futurismus auseinandergesetzt hat. Der lange Mantel des Rächers baut
sich aus Dreiecksformen auf, deren Kanten wie Strahlen zum Kopf
hinführen und der Figur eine dynamische Vorwärtsbewegung verleihen. Im
Gegensatz zur aggressiven Energie des Körpers steht der Ausdruck des
Gesichts, in dem nicht Entschlossenheit, sondern nachdenkliches Zögern
zu sehen ist.
ERNST BARLACH (1870-1938) - Der Rächer, 1914, Bronze
7°C mehr Sommertemperatur in Österreich könnte etwa in der Osttiroler
Heimat des Malers Egger-Lienz die Quellen durch lange Hitzeperioden
versiegen lassen. Die Gletscher verschwinden bereits heute massiv und
könnten bei stetiger Erwärmung bald kein Schmelzwasser mehr spenden.
Zurück bleibt lockeres Gestein, das bei Starkregen und Hagel als Mure
zu Tale stürzt und auch den Lebensraum der Menschen bedroht. Ohne
massiven Schutz, können ganze Täler unbewohnbar werden.
WIE WIR AKTIV WERDEN KÖNNEN:
Durch systematische Pflanzung und Förderung von gesunden,
klimawandelresilienten Mischwäldern, können Täler geschützt werden. Und
auch in unserem Alltag sollten wir stets schonend mit der Ressource
Wasser umgehen. Die Vermeidung von CO² bleibt allerdings der wichtigste
Hebel, um der Gletscherschmelze entgegenzuwirken.
ALBIN EGGER-LIENZ (1868-1926) - Knabe an der Quelle (Die Quelle), 1923, Öl auf Leinwand
WIEN 1900 - AUFBRUCH IN DIE MODERNE
Die pulsierende Donaumetropole Wien war um 1900 von Gegensätzen
geprägt: Sie war gleichermaßen die Hauptstadt des Hochadels und der
liberalen Intellektuellen, der prachtvollen Ringstraße und der endlosen
Armenviertel, des Antisemitismus und des Zionismus, des starren
Konservativismus und des Aufbruchs in die Moderne. Glanz und Elend,
Traum und Wirklichkeit, Symbolismus und Selbstbefragung bezeichnen den
existierenden Pluralismus jener Zeit und markieren Wien als
Versuchsstation und Ideenlaboratorium und damit als zentralen Motor
einer turbulenten Erneuerungsbewegung. In diesem heterogenen Milieu
fand jene einzigartige Verdichtung an Kulturleistungen statt, die uns
heute von Wien um 1900 als einem Quellgrund der Moderne sprechen
lassen. Der Aufbruch dorthin fand in den unterschiedlichsten
Disziplinen statt, von Malerei und Literatur über Musik, Theater, Tanz
und Architektur bis hin zu Medizin, Psychologie, Philosophie,
Rechtslehre und Ökonomie.
Der Nährboden für ein so fruchtbares Geistesleben war dem Dialog wie
auch dem durchaus kontroversiellen Austausch progressiver Ideen
geschuldet, welche in den Kaffeehäusern oder Salons der Metropole
verhandelt wurden. Das Phänomen Wien 1900 in all seiner verdichteten
Kreativität und widersprüchlichen Komplexität darzustellen, ist der
Anspruch der neu konzipierten Dauerpräsentation des Leopold Museum.
Die Ausstellung beginnt die Reise hin zur faszinierenden Epoche der
Wiener Moderne mit einer Ouvertüre zur Blütezeit des Wiener Historismus
um 1870. In Kunst und Architektur dominierte der Eklektizismus: Der Bau
der Ringstraße verlieh der Stadt ein gänzlich neues urbanes Gesicht,
und Hans Makart war mit seinen allegorischen und mythologischen
Darstellungen Wiens unumstrittener Malerfürst. Neben dem pompösen
Historismus dieser Zeit entstehen jene im Sujet zurückhaltenden,
stimmungsimpressionistischen Landschaftsdarstellungen und Milieustudien
mit stark lyrischen Anklängen von Emil Jakob Schindler, Tina Blau oder
Rudolf von Alt. Vor diesem Hintergrund ist die Gründung der Wiener
Secession zu sehen, die als veritabler Befreiungsschlag die Kunstszene
aufrüttelte.
VALLY WIESELTHIER, Bacchantin, 1919
Während die Literaten des Jung-Wien Hermann Bahr, Hugo von Hofmannsthal
und Arthur Schnitzler der Untergangsstimmung wie dem Neuaufbruch eine
Stimme gaben, Otto Wagner und Adolf Loos architektonische und
stadtplanerische Innovationen entwickelten, Gustav Mahler und Arnold
Schönberg die Musik revolutionierten und Sigmund Freud bahnbrechende
Erkenntnisse in der Psychoanalyse lancierte, gilt die Gründung der
Secession im Jahr 1897 als Geburtsstunde der österreichischen Moderne
in der bildenden Kunst. Gegen das konservative Künstlerhaus
revoltierend, schlossen sich progressive Künstler wie Gustav Klimt,
Koloman Moser, Alfred Roller, Carl Moll sowie die Architekten Josef
Hoffmann und Joseph Maria Olbrich zusammen, um eine vitale Plattform
für zeitgenössische und internationale Kunst zu schaffen. Den Wiener
Modernen ging es im Sinne der Idee des Gesamtkunstwerkes um die
Durchdringung aller Lebensbereiche der Menschen mit Kunst; die
angewandte Kunst wurde dabei der bildenden Kunst gleichgestellt. In
diesem Zusammenhang erschließt sich das Konzept der Wiener Werkstätte,
die im Jahr 1903 von Josef Hoffmann, Koloman Moser und Fritz
Waerndorfer gegründet wurde. Oberste Prämisse bei Entwurf und Fertigung
war neben der Wertschätzung des Materials vor allem die künstlerische
und handwerkliche Qualität der Objekte. Möbel, Schmuck, Gläser,
Keramiken, Tafelgeschirr, Textilien, Buch- und Plakatgestaltung standen
auf ihrem Programm.
Der Jugendstil als ornamental-ästhetisierende Überformung der Lebenswelt war für jene Künstler, die vor
allem die Krise des modernen Subjekts reflektierten und damit ein
zentrales Thema dieser Zeit verhandelten, nicht das geeignete
künstlerische Ausdrucksmittel. Auf dem Weg zur Daseinserforschung
beschritten Richard Gerstl, Oskar Kokoschka und vor allem Egon Schiele
neue Wege künstlerischer Identitätserkundungen und begründeten damit
jene österreichische Ausformung des Expressionismus, die sich durch
einen schwelenden Symbolismus und die künstlerische Befragung des
Individuums auszeichnet. Die Werke dieser österreichischen
Expressionisten zählen zu den spezifischsten und herausragendsten
Errungenschaften der österreichischen Kunstgeschichte des 20.
Jahrhunderts, welche durch den Ausbruch und den Verlauf des Ersten
Weltkrieges eine jähe Veränderung erfuhr.
Das Jahr 1918 bedeutete durch das Ende des Ersten Weltkrieges und den
einhergehenden Zusammenbruch der Monarchie nicht nur auf politischer
Ebene eine Zäsur, auch der Tod führender Protagonisten der Wiener
Moderne wie Gustav Klimt, Egon Schiele, Koloman Moser und Otto Wagner
stellte einen verlustreichen Einschnitt im künstlerischen Milieu dar.
Die Ausstellung gibt einen umfangreichen Einblick in das erste
Jahrzehnt der jungen Republik mit ihren gemäßigt expressionistischen
oder neusachlichen Tendenzen. Aufkeimende innovative künstlerische und
wissenschaftliche Entwicklungen wurden in den 1920er-Jahren durch die
wirtschaftliche Instabilität, die eine Etablierung autoritärer und
faschistischer Ideen begünstigte, zunehmend verhindert. Das Ende der
parlamentarischen Demokratie, die Kanzlerdiktatur des Ständestaates und
schließlich die Verbrechen des Nationalsozialismus sollten den
Nährboden Wien um 1900 gänzlich versiegeln.
Basierend auf den von Rudolf Leopold gesammelten, umfassenden Beständen
des Leopold Museum und ergänzt um ausgewählte Leihgaben aus privaten
und institutionellen Sammlungen gibt die mit rund 1.300 Exponaten
bestückte, neu konzipierte Präsentation Wien 1900 einen singulären
Einblick in das Fluidum dieser einstigen Weltkulturhauptstadt.
2°C mehr im globalen Durchschnittsklima können in vielen Regionen der
Welt - und auch bei uns in Österreich - zu einer Veränderung bei
Starkniederschlägen führen, was katastrophale Wetterextreme, wie das
hier dargestellte, noch weiter verstärken kann. Bereits die Einhaltung
des Klimaziels von +1,5°C verringert die Zunahme von solchen
Extremereignissen wesentlich und ist somit ein Schutz für Leib und
Leben.
WIE WIR AKTIV WERDEN KÖNNEN:
Wir müssen uns bereits heute auf extremere Ereignisse vorbereiten mit
Maßnahmen zur Information der Bevölkerung über richtiges Verhalten im
Notfall bis hin zu Frühwarnsystemen oder Raumplanung, welche
Gefahrenzonen berücksichtigt.
LUDWIG HEINRICH JUNGNICKEL (1881-1965) - Das Gewitter, um 1913, Öl auf Leinwand
OTTO RUDOLF SCHATZ ( 1900-1961) - Die Hoffnung, 1930, Öl auf Leinwand
Otto Rudolf Schatz wollte durch seine Kunst nicht nur formal
überzeugen, sondern sich auch mit den Problemen des Menschseins
auseinandersetzen. Um sich bis „in die Mitte des Lebens heranzubohren",
wie er seinem Freund, dem Schriftsteller Viktor Matejka, sagte,
versuchte er entweder alle Verkleidung wegzuräumen oder aber die
Maskerade so sehr zu unterstreichen, dass man nicht nur den Jammer,
sondern auch den Selbstbehauptungswillen derer erkennt, die am Rand der
Gesellschaft leben. Im großformatigen Die Hoffnung,
das ursprünglich Artisten genannt wurde, stellt Schatz vier gänzlich
verschiedene Existenzen aus der Welt des Wiener Praters dar. Obwohl sie
in der halbnackten Aufmachung der Schaubühne gemalt werden, zeigen sie
keine Scham, sondern präsentieren sich stolz und selbstbewusst. Mit der
Akribie der Neuen Sachlichkeit gibt Schatz feine Details wieder,
beispielsweise den mit Blumen geschmückten, transparenten Spitzenumhang
der linken Figur. So klar die Form auch sein mag, so vieldeutig bleibt
die Darstellung dieser vier Personen, die oft allegorisch gedeutet
wurden, als umschreibendes Abbild der Lebensalter oder der Kontinente,
aber auch als Ausdruck der antiklassischen Haltung des Künstlers.
JOANNIS AVRAMIDIS (1922-2016) - Modellierte Figur, 1958, Gips
Genießen Sie einen besonderen Abend im Leopold Museum:
Tauchen Sie ein in die einzigartige Atmosphäre der umfassenden
Dauerpräsentation Wien 1900. Aufbruch in die Moderne, die Einblicke in
außergewöhnliche Leistungen in den Bereichen Kunst, Kultur,
Wissenschaft, Stadtentwicklung und Architektur wiedergibt. Der Bau der
Wiener Ringstraße als das größte Stadtentwicklungsprojekt
Österreich-Ungarns verdichtete und vergrößerte die Stadt Wien, indem -
durch die Einbindung der Vorstädte - die ehemaligen Stadtgrenzen
geöffnet wurden. 1873 erhielt Wien durch die Inbetriebnahme der Kaiser
Franz Josefs Hochquellen-Wasserleitung eine flächendeckende Versorgung
mit sauberem Trinkwasser. Im Zuge von Großprojekten wie dem Ausbau der
Kanalisation von Wien und der Errichtung der Wiener Stadtbahn kam es zu
einem Zuzug von tausenden Arbeitskräften aus den Kronländern und aus
Italien. Auf der Strecke der ursprünglich dampfbetriebenen
innerstädtischen Bahn fährt heute die Linie U6 der Wiener U-Bahn.
5°C mehr im globalen Durchschnittsklima bis zum Jahr 2100 bedeuten,
dass die von Courbet gemalten Kreideklippen an der Küste der Normandie
nahezu verschwinden könnten. Denn schon jetzt bröckelt die Schönheit
dieses Naturjuwels. Ein durch den Klimawandel ausgelöster steigender
Meeresspiegel sowie Starkregenereignisse zwingen nämlich nicht nur
Millionen von Menschen zur Flucht ins Binnenland, sondern zerstören
bereits heute diese beeindruckenden Kreideklippen.
WIE WIR AKTIV WERDEN KÖNNEN:
Jeder Beitrag, den eigenen CO₂-Fußabdruck zu reduzieren, nutzt der
Gesamtheit des Klimas. Unser Mobilitätsverhalten muss sich grundlegend
verändern. Wann immer möglich, sollten wir auf das klimafreundlichste
Transportmittel ausweichen.
GUSTAVE COURBET (1819-1877) - Küstenlandschaft, 1866, Öl auf Leinwand
STIMMUNGSVOLLE LANDSCHAFTEN
Camille Corot malte bereits in den 1820er-Jahren im Dorf Barbizon nahe
Paris, wodurch er zum Vorreiter einer ganzen Künstlerbewegung wurde,
deren Vertreter bis zur Jahrhundertmitte das Dorf am Rande des Waldes
von Fontainebleau fallweise zu ihrem Wohnsitz machten. Weder
klassizistisches Capriccio noch romantische Kulisse und auch von
jeglichen erzählerischen Zutaten befreit, erlangte die Landschaft in
ihren Gemälden ein weitgehend unverfälschtes, entdramatisiertes Antlitz
zurück. Schlichte Sujets wurden oft nach seriellem Prinzip und auf eine
nahezu meditative Art in den Fokus genommen. Um flüchtige Sequenzen des
Naturschauspiels einzufangen, lockerten Théodore Rousseau,
Charles-François Daubigny und weitere Freiluftmaler aus Barbizon den
Pinselduktus auf.
In Österreich wurde der Keim einer protoimpressionistischen
Landschaftsmalerei in den 1860er-Jahren gelegt. Studierende aus der
Meisterklasse Albert Zimmermanns an der Wiener Akademie der bildenden
Künste unternahmen Ausflüge in die Gegend um Berchtesgaden, um vor Ort
Naturstudien zu betreiben. Noch folgenreicher war der Besuch der I.
Internationalen Ausstellung in München 1869, wo Emil Jakob Schindler
und seine Studienkollegen den Werken aus Barbizon begegneten. Impulse
aus der Haager Schule, der Münchner Schule sowie der holländischen
Landschaftsmalerei des 17. Jahrhunderts kamen hinzu. Anstelle der
heroisch anmutenden Alpenkulissen rückten stille Gewässer, Waldstücke
und Gehöfte in der Umgebung Wiens in den Blick. Reisen führten außerdem
nach Westfrankreich, Italien, Dalmatien, die Niederlande und Ungarn.
Häufig auch als „Stimmungsimpressionismus" bezeichnet, huldigte die
neue Landschaftsmalerei im Zeitalter der Industrialisierung der
unberührten Natur und stellte einen Gegenpol zur Historienmalerei dar.
Einen besonderen Anteil daran hatten die Frauen, denen ein
Akademiestudium verwehrt war. Tina Blau setzte zur Malerei ihres
Künstlerfreundes und Rivalen Emil Jakob Schindler anregende
Kontrapunkte, während Olga Wisinger-Florian insbesondere in ihrem
Spätwerk die Farbe gleichsam zu einem Gestaltungsmittel erhob.
6°C mehr Sommertemperatur in Österreich bis zum Jahr 2100 führen zu
einer massiven und rapiden Verschiebung der Vegetationszonen. Tier- und
Pflanzenarten, welche auf spezifische klimatische Bedingungen
angewiesen sind, können sich nicht schnell genug an die geänderte
Umgebung anpassen. Ein riesiger Verlust der Artenvielfalt wäre die
Folge.
WIE WIR AKTIV WERDEN KÖNNEN:
Ein zunehmend flächendeckender Ausbau von klimafreundlichen und
klimawandelrobusten Bewirtschaftungsformen ist für den Erhalt der
Biodiversität notwendig. Auch die Errichtung von Schutzzonen ist
bedeutend.
TINA BLAU-LANG (1845-1916) - Apfelblüten, nach 1894, Öl auf Leinwand
CABARET FLEDERMAUS
Das Cabaret Fledermaus, das anknüpfend an die Traditionen des Pariser
Chat Noir und des Münchner Kabaretts Die Elf Scharfrichter am 20.
Oktober 1907 auf Initiative des Mäzens und Gründungsmitgliedes der
Wiener Werkstätte Fritz Waerndorfer in der Kärntnerstraße eröffnet
wurde und bis 1913 bestand, bildete einen Kulminationspunkt der Wiener
Moderne. Die programmatische, wahrscheinlich von Peter Altenberg
verfasste Eröffnungsschrift kündigte eine Stätte an, „die der Kultur
der Unterhaltung dient" und eine „organische Verflechtung aller
künstlerischen und ästhetischen Bereiche" anstrebe. Im Geiste des
Gesamtkunstwerkes wurde das Cabaret Fledermaus von Josef Hoffmann
entworfen und von der Wiener Werkstätte - etwa durch Bertold Löffler
und Carl Otto Czeschka, aber auch durch Künstler wie Gustav Klimt,
Koloman Moser oder Emil Orlik - bis ins kleinste Detail ausgestaltet.
Von der Bühne, der extravaganten Möblierung und der Ausstattung des
Zuschauer- und Barbereiches über Kostüme und Bühnendekorationen bis hin
zu Werbematerialien wie Plakate oder Programmhefte galt es den mondänen
Zeitgeist umfassend zu propagieren. Höhepunkte der experimentellen,
sich oft mit beißender Ironie an der „großen" Kunst reibenden
Bühnenperformances bildeten dabei die von Alfred Polgar und Egon
Friedell verfasste Groteske über Goethe, Darbietungen der legendären
Diseuse Marya Delvard und des Tänzerinnentrios Schwestern Wiesenthal
sowie Oskar Kokoschkas frühe expressionistische Stücke, in denen der
Künstler als Universalgestalter in Erscheinung trat.
Das Leopold Museum beherbergt eine der herausragendsten Sammlungen zur
österreichischen Kunst der frühen Moderne. Es trägt den Namen seines
Gründers Rudolf Leopold (1925-2010), der seine im Laufe von fünf
Jahrzehnten zusammengetragene Sammlung 1994 in eine Privatstiftung
einbrachte. Seit 2001 ist die Sammlung im Leopold Museum im
MuseumsQuartier auch der Öffentlichkeit zugänglich.
Im Zentrum steht die weltweit größte und bedeutendste Kollektion von 42
Gemälden sowie zahlreichen Arbeiten auf Papier, Fotografien und Briefen
des österreichischen Malers und Zeichners Egon Schiele. Weitere
Höhepunkte stellen die Gemälde von Gustav Klimt dar, darunter eines
seiner Hauptwerke Tod und Leben. Diese sind eingebettet in eine
umfassende Präsentation von Wien 1900, in der die Kunst des Jugendstils
und der Wiener Secession eine bemerkenswerte Rolle spielen. Eine reiche
Auswahl von kunstgewerblichen Objekten von Koloman Moser, Josef
Hoffmann und weiteren Künstlerinnen und Künstlern der Wiener Werkstätte
unterstreicht die Bedeutung des Kunsthandwerks dieser Zeit. Ganz
wesentlich steht das Leopold Museum auch für die Kunst des
Expressionismus und zeigt neben Werken von Egon Schiele auch wichtige
Exponate von Richard Gerstl und Oskar Kokoschka sowie eine große
Sammlung zur österreichischen Kunst zwischen 1918 und 1938.
Mit seiner Dauerpräsentation Wien 1900 schafft das Leopold Museum eine
einzigartige Erlebniswelt, die die Besucherinnen und Besucher in die
Atmosphäre dieser pulsierenden Zeit eintauchen lässt. Wien 1900
bezeichnet den zu jener Zeit existierenden Pluralismus aus Glanz und
Elend, Traum und Wirklichkeit, Symbolismus und Selbstbefragung und
markiert Wien als Ideenlaboratorium und damit als zentralen Motor einer
turbulenten Erneuerungsbewegung. Erleben Sie die Einzigartigkeit und
den Reichtum künstlerischer und intellektueller Leistungen dieser Zeit
durch die Meisterwerke des Leopold Museum hautnah!
Vom obersten Stockwerk des Museums aus hat man durch ein
Panoramafenster Ausblick auf die Ringstraßenbauten und die Altstadt
Wiens.
MAX KURZWEIL (1867-1916) - Weiblicher Akt vor Spiegel, 1907, Öl auf Leinwand
FRANZ VON STUCK (1863-1928) - Amazone, 1897-1905, Bronze, schwarz-braun patiniert
AUGUSTE RODIN ( 1840-1917) - Das ewige Idol, Entwurf 1893, Guss 1971, Bronze
KLIMTS ATELIER
1892 übersiedelte Gustav Klimt in ein neues Atelier in die Josefstädter
Straße 21. Das ebenerdige, freistehende Ateliergebäude befand sich im
Hinterhof eines Mietshauses und umfasste mehrere Räume. Die vorliegende
Rekonstruktion des Ateliers, die auf einer Fotografie von Moriz Nähr
aus dem Frühjahr 1911 basiert, zeigt den Vorraum zum eigentlichen
Arbeitsraum. Hier standen die wertvollen Möbel, die nach Entwürfen von
Josef Hoffmann 1903 von der Wiener Werkstätte angefertigt wurden.
Spektakulär ist etwa das Malkästchen, das eine unikale Erfindung
Hoffmanns darstellt, oder auch die von der Decke hängende Lampe. In dem
gleichfalls von Hoffmann entworfenen mächtigen Wandschrank waren
Bücher, Zeichnungen und Teile von Klimts Kunstsammlung untergebracht.
Spätestens im Herbst 1911 zog Gustav Klimt aus dem Atelier aus, da die
gesamte Liegenschaft einem Neubau weichen musste. Klimt fand in der
Feldmühlgasse 11 in Wien-Hietzing ein neues Atelier, das er bis zu
seinem Tod in Benutzung haben sollte.
JOSEF HOFFMANN (1870-1956) - Ausführung: Wiener Werkstätte
Mobiliar im Vorraum zum Atelier Gustav Klimts in der Josefstädter Straße 21, Wien VIII., 1903
KAKANIENS ANACHRONISMEN
Als der 18-jährige Franz Joseph I. im Jahr 1848 den Thron bestieg,
lagen bereits rund 600 Jahre Herrschaft des Hauses Habsburg hinter und
das komplexe Regierungsgeschäft in einem Vielvölkerstaat vor ihm, den
Robert Musil in seinem Roman Der Mann ohne Eigenschaften
ironisch als Kakanien bezeichnen sollte, abgeleitet vom Kürzel „k. k."
der kaiserlich-königlichen Doppelmonarchie Österreich-Ungarn. Nach dem
Debakel von Königgrätz 1866 und dem damit einhergehenden Verlust
Venedigs und Venetiens sowie dem Ende des Deutschen Bundes nahmen die
Nationalitätenkonflikte in der Monarchie nach und nach zu.
Paradoxerweise ereignete sich synchron zum Verfall des Reiches eine
Hochblüte in Kultur, Wissenschaft und Wirtschaft: der Ausbau des
Eisenbahnnetzes, zahlreiche Industriegründungen, die Schleifung der
Basteien und die Errichtung einer imperialen Ringstraße an der Stelle
des alten Glacis in Wien, die Umsetzung des Reichsschulgesetzes, die
Gründung von Arbeiterbildungsvereinen, zahlreiche Erfindungen und
Entdeckungen auf naturwissenschaftlichem und medizinischem Gebiet und
schließlich unzählige Aktivitäten im Bereich der bildenden Kunst und
der Musik.
1873 rief Wien als k. u. k. Reichshaupt- und Residenzstadt zur
Weltausstellung in die Donaumetropole, um einem internationalen
Publikum den wirtschaftlichen und kulturellen Aufschwung des
gründerzeitlichen Wiens zu präsentieren. Wien glich in dieser Zeit
einer großen Baustelle. Das vormals barocke Stadtbild wurde um
zahlreiche Neubauten in historistischer, eklektizistischer Manier
erweitert. Viele der repräsentativen Gebäude wie das Parlament oder die
Universität befanden sich bereits in Bau, das Rathaus oder die Börse
erlebten ihre Grundsteinlegung. Einzig die Hofoper (die heutige
Staatsoper) und das Museum für Kunst und Industrie (heute Museum für
Angewandte Kunst) waren 1873 bereits fertiggestellt. Die Rotunde
stellte den zentralen Neubau der Weltausstellung dar und wurde am 1.
Mai feierlich im Beisein des Kaiserpaares eröffnet. Die Veranstaltung
stand allerdings unter keinem guten Stern: Schon am 9. Mai ereignete
sich mit dem „Schwarzen Freitag" jener Börsenkrach, der zu einer
gravierenden wirtschaftlichen Depression führen sollte. Auch die einen
Monat später in Wien ausbrechende Cholera hielt viele Gäste davon ab,
zur Weltausstellung zu reisen. So endete dieses Spektakel der
Selbstdarstellung letztendlich mit einem finanziellen Defizit und zog
zahlreiche durch Fehleinschätzungen und Spekulationsgeschäfte
ausgelöste Insolvenzen nach sich.
Der sogenannte Makart-Festzug am 27. April 1879 zur 25-jährigen
Vermählungsfeier von Kaiser Franz Joseph I. und seiner Gemahlin
Elisabeth war wohl einer der letzten Höhepunkte des kakanischen
Repräsentationswillens. Die gründerzeitliche Metropole feierte in einem
von Architekt Otto Wagner entworfenen und auf der neu angelegten Wiener
Ringstraße aufgebauten Festzelt nicht nur die Silberhochzeit des
Kaiserpaares, sondern in einem von Hans Makart pompös inszenierten
Festzug auch sich selbst, d. h. die verschiedenen Berufsstände aus
Handel, Gewerbe, Industrie, Wissenschaft und Kunst. Rund 300.000
Zuschauer bestaunten den aus 14.000 Beteiligten bestehenden Umzug, ein
Historienspektakel mit Kostümen im Stil der Renaissance und des
Barock. Während diese Inszenierung die heile Welt der Ringstraßenära
auch malerisch und fotografisch eindrücklich transportierte, sah der
kaum dokumentierte Alltag des Proletariats radikal anders aus. Die
Kluft zwischen Arm und Reich tat sich immer weiter auf, als die
Wirtschaftskrise - insbesondere in der Eisen- und Stahlindustrie -
vehement einsetzte und Banken wie Industrieunternehmen reihenweise in
Konkurs gingen. Die Realeinkommen sanken, die Lebenshaltungskosten
waren nicht mehr zu finanzieren und die Arbeitslosigkeit stieg stetig
an.
Die Lebensbedingungen der einfachen Arbeiter und Tagelöhner, die dem
„fünften Stand" angehörten und in der Großindustrie oder in kleinen
Hinterhofgewerbebetrieben miserablen Arbeits- und Lebensbedingungen
ausgesetzt waren, standen nicht im Fokus der Aufmerksamkeit. Sie kamen
oftmals von auswärts, aus den verschiedenen Kronländern der Monarchie,
und blieben Fremde in der eigenen Stadt. Schlaflager waren an der
Tagesordnung und wurden von sogenannten „Bettgehern" rund um die Uhr
zwischen Tag- und Nachtarbeitern abwechselnd gemietet. Der Arbeitstag
dauerte zwischen 12 und 18 Stunden und die Bezahlung war so marginal,
dass Frauen wie auch Kinder ab dem sechsten Lebensjahr arbeiten
mussten, um das Überleben der Familie zu sichern. Krankheit und ein
oftmals früher Tod waren die Folge dieser misslichen Lebensverhältnisse.
Die Lösung für diese sozialen Missstände glaubte man - wie so oft bei
komplexen Fragestellungen - in einfachen Schuldzuschreibungen finden zu
können. Verantwortlich gemacht wurden die zu großem Vermögen
gekommenen Bankiers und Börsenspekulanten, die oftmals jüdischer
Herkunft waren. Der Antisemitismus sollte in diesen Jahren um 1880,
also am Höhe- und zugleich am Wendepunkt einer regen Bautätigkeit und
eines gescheiterten politischen Liberalismus, immer aggressiveren
Eingang in die politische Propaganda der neu gegründeten Massenparteien
finden. Zwar existierte seit 1867 eine liberale Verfassung mit einer
Zweikammern-Anordnung, jedoch handelte es sich dabei noch immer um das
System einer konstitutionellen Monarchie. Die Gründung von Parteien
sollte in den Folgejahren das Spektrum der differenten Interessen
abbilden. Im Burgenland wurde 1874 die Sozialdemokratische
Arbeiterpartei gegründet, die jedoch erst auf dem Parteitag von
Hainfeld 1888/89 durch Victor Adlers Charisma alle Strömungen der
Arbeiterbewegung hinter sich vereinen konnte. Die Geburtsstunde der
Christlichsozialen wird im Antreten bei der Reichsratswahl 1891
gesehen, spätestens jedoch 1893 im Zusammenschluss verschiedener
politischer Vereine zur Christlichsozialen Partei unter der Führung des
späteren Bürgermeisters von Wien, Karl Lueger. Georg von Schönerer
wiederum, zunächst Führer der Deutschnationalen, gründete 1891 die
Alldeutsche Bewegung und saß ebenso wie Otto Steinwender von der
Deutschen Nationalpartei seit 1891 im Wiener Reichsrat.
In dem zunehmend erstarrten System der österreichisch-ungarischen
Monarchie, diesem Vielvölkerstaat aus Deutschen, Tschechen, Ungarn,
Slowaken, Kroaten, Slowenen, Polen, Serben und Italienern, kam man
nicht zuletzt durch die Interessenskonflikte der verschiedenen
Nationalitäten einem Zerfall immer näher: Die Monarchie wurde verstärkt
zur Arena politischer und sozialer Machtkämpfe. Dennoch erlebte Wien -
damals eine der größten Städte des Kontinents - in dieser
Endzeitstimmung um die Jahrhundertwende in den Bereichen der Künste und
Wissenschaften einen geistigen Höhenflug. Einen überproportional hohen
Anteil am kulturellen Reichtum der Stadt hatten dabei jüdische
Bürgerinnen und Bürger, insbesondere im literarischen, publizistischen,
künstlerischen und philosophischen Bereich: Peter Altenberg, Richard
Beer-Hofmann, Hermann Broch, Sigmund Freud, Theodor Herzl, Hugo von
Hofmannsthal, Edmund Husserl, Dora Kallmus, Hans Kelsen, Karl Kraus,
Gustav Mahler, Lise Meitner, Max Reinhardt, Felix Salten, Arthur
Schnitzler, Arnold Schönberg, Franz Werfel, Ludwig Wittgenstein, Berta
Zuckerkandi oder Stefan Zweig, um nur einige zu nennen.
Erklärungsversuche diese hohe Dichte an jüdisch-intellektuellen
Talenten würden an dieser Stelle zu weit führen; Tatsache ist jedoch,
dass der geistige Aufbruch ohne die Beiträge jüdischer Persönlichkeiten
inmitten des Wiener Schmelztiegels von Nationalitäten und Kulturen so
nicht stattgefunden hätte.
Kokoschkas Auseinandersetzung mit dem Theater lässt sich bis in seine
Anfangszeit zurückverfolgen: Im Cabaret Fledermaus inszenierte er
bereits 1907 das Lichtspiel Das getupfte Ei, 1909 sein Stück Eine Groteske.
Ein Theaterstück war es auch - uraufgeführt im Gartentheater der
Internationalen Kunstschau im Juli 1909 -, das dem 23-jährigen
Kokoschka mit einem Skandal zum künstlerischen Durchbruch verhalf:
Mörder, Hoffnung der Frauen. Das „Schrei-Drama" (Bernhard Diebold),
welches das Verhältnis von Mann und Frau als Explosion sexueller
Begierde und Gewalt in altertümlich-archaischem Ambiente schildert,
zählt heute zu den expressionistischen Pionierwerken der Kunst- und
Literaturgeschichte.
Im Züricher Cabaret Voltaire gelangte im April 1917 Kokoschkas Sphinx und Strohmann
- unter der Regie von Marcel Janco sowie der Mitwirkung von Hugo Ball
und Tristan Tzara zur Aufführung. Zwei Monate später führte Kokoschka
im Dresdner Albert Theater bei der Uraufführung seines Dramas Der brennende Dornbusch - gemeinsam mit seinen Stücken Mörder, Hoffnung der Frauen und Hiab
- selbst Regie und entwarf Bühnenbild und Kostüme. Auch später trat
Kokoschka wiederholt als Dramaturg, Regisseur und Ausstatter seiner
eigenen Dramen in Erscheinung. Mit Mozarts Zauberflöte setzte er auf
Anregung des befreundeten Dirigenten Wilhelm Furtwängler im Rahmen der
Salzburger Festspiele 1955 erstmals ein fremdes Stück um.
OSKAR KOKOSCHKA (1886-1980)
Pietà. Plakat für seine Drama-Komödie Mörder, Hoffnung der Frauen in der Internationalen Kunstschau, Wien 1909
Farblithografie auf Papier (Faksimile)
ALFRED HRDLICKA (1928-2009) - Porträt Oskar Kokoschka II, 1964, Bronze
In seinen so radikalen wie obsessiven Selbstinszenierungen bringt Egon
Schiele seinen Körper auf die Leinwand, die bisweilen wie ein
Seziertisch anmutet, und dekliniert ihn in Mimik und Gestik bis an die
Grenzen des anatomisch Möglichen. Einen frühen Höhepunkt bildet das
1910 entstandene Gemälde Sitzender Männerakt (Selbstdarstellung).
Der 20-jährige Künstler zeigt sich nackt, in einer fast schon
schmerzenden Leiblichkeit. Nicht die Haut und mit ihr die sinnliche
Oberfläche des Körpers wird zur Schau gestellt, sondern Sehnen,
Muskeln, Knochen treten hervor und lassen ihn beinahe gehäutet
erscheinen. Mit fragmentierten Beinen auf die Leinwand geworfen, findet
er dort im dünn aufgetragenen monochromen Weiß des Hintergrundes keinen
Halt mit dem Ausdruck größter Verletzlichkeit schwebt er im ortlosen
Bildraum. Weit entfernt von einem naturalistischen Kolorit,
kontrastiert der gelbgrüne Leib die signalrot markierten Augen,
Brustwarzen, Nabel und Genitalien. Schieles in zahllosen
Selbstdarstellungen verfolgte Suche nach dem Ich wird zur Reflexion auf
die Quintessenz des Menschseins, in dem Eros und Thanatos die
Hauptrollen spielen.
EGON SCHIELE (1890-1918) - Sitzender Männerakt (Selbstdarstellung), 1910, Öl, Deckfarbe auf Leinwand
GEORGE MINNE (1866-1941) - Solidarität (Brüderlichkeit), 1897/98, Carrara-Marmor
PABLO PICASSO
An Schaffenskraft, stilistischer Vielfalt und künstlerischen Neuerungen
in den unterschiedlichsten Medien - sei es Zeichnung, Malerei, Collage,
Plastik, Keramik oder Druckgrafik - ist der Universalkünstler Pablo
Picasso (1881-1973) unübertroffen. Wie kein anderer prägte er die Kunst
des 20. Jahrhunderts und wandelte sich ständig: von den bekannten
frühen Werken der Blauen und Rosa Periode bis hin zu den bahnbrechenden
mit Georges Braque geschaffenen Innovationen des synthetischen Kubismus
und einer parallel stattfindenden Rückkehr zu
naturalistisch-klassizistischen Kompositionen. In seinem
stilpluralistischen Denken war beides möglich - die Zersplitterung der
Form und simultane Ansichtigkeit im Kubistischen sowie die
Verfestigung, Ordnung und Monumentalität der Körperlichkeit im
neoklassizistischen Zugang. Es scheint fast so, als musste er seinen
von ihm geschaffenen kubistischen Formenkanon immer wieder aufs Neue
dekonstruieren, um frei und vielgestaltig für Anderes zu bleiben. Dies
gilt etwa auch für seinen „Ausflug" in surrealistische Sphären um 1925,
was seinem Interesse für das Unbewusste und Triebhafte im Menschen
ebenso wie seiner Lust an der Metamorphose von Objekten geschuldet war.
Trotz aller kubistischer Deformationen und surrealistischer
Assoziationsräume hat Picasso die Grenze zur Gegenstandslosigkeit nie
überschritten. Der Bezug zur Wirklichkeit war ihm wichtig und ging nie
verloren, wenngleich er seine kubistische Formensprache auch bis zum
Lebensende in verschiedensten Variationen, mit Rückbezügen und
Querverweisen, in seinem Œuvre praktizierte.
PABLO PICASSO (1881-1973) - Fillette couronnée au bateau [Bekröntes Mädchen mit Schiff], 1939, Öl auf Leinwand
PABLO PICASSO (1881-1973) - Nu debout et amour [Stehender Akt und Amor], 1968, Öl auf Leinwand
Das Leopold Museum präsentiert zum ersten Mal in Österreich in einer
umfassenden Schau ausgewählte Highlights aus der Sammlung Würth, die zu
den bedeutendsten Privatsammlungen Europas zählt. Die Ausstellung
ermöglicht eine einzigartige Reise durch rund 100 Jahre Kunstgeschichte
und vereint 200 Werke von Klassiker*innen der Moderne bis zur
Gegenwartskunst.
Die Meisterwerke, die einen Bogen vom Ende des 19. Jahrhunderts bis zur
Gegenwart spannen, werden auf zwei Ausstellungsebenen präsentiert und
sind nach Themen und Epochen gegliedert. In einer Etage liegt der Fokus
auf der klassischen Moderne, unter anderem mit Gemälden von Max
Liebermann, Max Pechstein, Ernst Ludwig Kirchner, Edvard Munch,
Gabriele Münter, Paula Modersohn-Becker, Camille Pissarro, Alfred
Sisley, René Magritte oder Oskar Schlemmer. Den Werken von Max Beckmann
und Pablo Picasso werden jeweils ganze Säle gewidmet. Besondere
Berücksichtigung finden stilistische Strömungen vom Impressionismus,
Expressionismus, Surrealismus bis hin zu verschiedenen Ausformungen der
abstrakten Kunst.
Die zweite Ausstellungsebene ist der Kunst nach 1945 gewidmet. Gezeigt
werden unter anderem Werke von Georg Baselitz, Fernando Botero, Christo
und Jeanne-Claude, Gerhard Richter, Anselm Kiefer oder Per Kirkeby. Die
Sammlungspräsentation veranschaulicht darüber hinaus das große
Interesse und die Leidenschaft von Prof. Reinhold Würth an der
österreichischen Nachkriegskunst. So sind bedeutende Werke, etwa von
Fritz Wotruba, Maria Lassnig, Arnulf Rainer, Christian Ludwig Attersee
oder Erwin Wurm, zu sehen.
ANISH KAPOOR (Mumbai/Indien 1954) - Innocent Blood [Unschuldiges Blut], 2012, Fiberglas und Farbe
REINHOLD WÜRTH UND SEINE SAMMLUNG
Der Unternehmer und Kunstmäzen Prof. Reinhold Würth (*1935) legte den
Grundstein seiner Sammlung in den 1960er-Jahren. Im Laufe von sechs
Jahrzehnten trug er nahezu 20.000 erlesene Werke aus den Bereichen der
Malerei, Skulptur und Grafik vom ausgehenden 15. Jahrhundert bis zur
Gegenwart zusammen. Neben dem Bereich der klassischen Moderne und der
Gegenwartskunst ist es insbesondere die zeitgenössische Plastik und
Skulptur, die einen breiten Raum in der Sammlung einnimmt.
Herausragende Werke von Bildhauern wie Hans Arp, Tony Cragg, Robert
Jacobsen, Anish Kapoor oder Heinz Mack sind Teil der Präsentation. 1991
öffnete das erste Museum Würth in Künzelsau, 2020 kam als jüngstes und
fünfzehntes Ausstellungshaus des Sammlers das Museum Würth 2 hinzu.
CHRISTO UND JEANNE-CLAUDE
Die ersten umhüllten Objekte und verschnürten Pakete schuf der
gebürtige Bulgare Christo Wladimirow Jawaschew (1935-2020) Ende der
1950er-Jahre, als er in Paris ankam und sich im Umfeld der „Nouveau
Réalisme" um Pierre Restany und Yves Klein bewegte, noch unter seiner
Autorschaft. In Paris lernte er auch seine spätere, aus Marokko
stammende Frau Jeanne-Claude Denat de Guillebon (1935-2009) kennen, mit
der er ab 1961 gemeinsam arbeitete. Die ursprüngliche Zuordnung der
Kooperation - Christo der schöpfende Künstler, Jeanne-Claude die
Managerin - wurde 1994 vom Ehepaar richtiggestellt. Denn manche der
künstlerischen Ideen, wie die in diesem Raum gezeigte Arbeit zu
Surrounded Islands, stammen von Jeanne-Claude. Die Projektideen wurden
mal von Christo, mal von Jeanne-Claude oder auch gemeinsam entwickelt,
die Zeichnungen, Collagen und Modelle von Christo ausgeführt und die
Umsetzung von Großprojekten nach gemeinsamen ästhetischen Prinzipien
und einer komplexen kommunikativen Interaktion entschieden. War im
Frühwerk der Fokus noch auf die Verhüllung beweglicher Gegenstände
gerichtet, so stellte sich ab der Wrapped Coast in Australien 1969 ein
Wechsel hin zu der Verhüllung statischer Architektur und geografischer
Räume ein. Mit wenigen Ausnahmen, wie jenen verhüllten Objekten, die
sich in der Sammlung Würth befinden und laut Christo ihre weltweit
bedeutendste Sammlung bilden, konnten verhüllte Kunstobjekte ab da kaum
noch gesammelt werden, sondern lediglich deren künstlerische Entwürfe
und Dokumentationen. Der Aufwand an Vorbereitung und Organisation von
Projekten, die Überwindung von bürokratischen Hürden und nicht zuletzt
die Lösung komplizierter Ingenieursaufgaben dauerte manchmal viele
Jahre, bis es zur Verwirklichung der spektakulären, temporär angelegten
Kunstereignisse kam. Das Leitmotiv ihrer Verhüllungsarbeit blieb über
die Jahre gleich: Die Transformation realer Objekte, um Dinge oder
Landschaften neu sichtbar, neu wahrnehmbar zu machen und die Betrachter
innen mit Schönheit zu beglücken.
CHRISTO (1935-2020) - Tische, Stühle und Sessel verpackt in Baumwollstoff
[Verhüllte Stühle, verhüllter Tisch, verhüllter Bartisch und
verhüllter Armlehnstuhl, Projekt für Museum Würth, Deutschland], 1995
FERNANDO BOTERO (Medellín/Kolumbien 1932) - Nach Velázquez, 2000, Öl auf Leinwand
FERNANDO BOTERO (Medellín/Kolumbien 1932) - Mademoiselle Rivière, nach Ingres, 2005, Öl auf Leinwand
GEORG BASELITZ (Deutschbaselitz/Deutschland 1938) - Ornamentmann (Remix), 2008, Öl auf Leinwand
GEORG BASELITZ
Der aus dem Dorf Deutschbaselitz in Ostdeutschland stammende Hans-Georg
Kern feiert heuer seinen 85. Geburtstag. Er trat in den 1960er-Jahren
mit seinen eindrücklichen Helden- und Frakturbildern in der Kunstwelt
in Erscheinung. Mit seinen auf dem Kopf gemalten neoexpressiven
Bildmotiven der 1970er-und 80er-Jahre wurde er international bekannt.
Sein figuratives malerisches und skulpturales Schaffen ist tief in der
Geschichte der europäischen und amerikanischen Kunst verwurzelt und
zeichnet sich sowohl durch inhaltlichen wie auch stilistischen Reichtum
aus. Durch die Aneignung bzw. das Wechselspiel mit der
kunsthistorischen Tradition schafft er gänzlich neue ikonografische wie
stilistische Bildfindungen, wobei ihm die Sinnlichkeit des Gemalten,
also die Wirkmacht des Mediums der Malerei, ein ganz besonderes
Anliegen ist.
Mit dem Auf-dem-Kopf-Malen der Gemälde intendierte Baselitz, dass beim
Malakt, aber auch beim Publikum der Fokus auf die Darstellungsweise und
nicht auf das figurative Abbild gerichtet sei. Dadurch wird sein
spezifischer Farbauftrag, die Zusammenstellung des Kolorits und nicht
zuletzt der energiegeladene Pinselduktus, der durch die Farbspuren den
Arbeitsprozess hervorhebt, in den Vordergrund gerückt. Die Methode der
Verfremdung macht dergestalt aus einem figurativen Gemälde ein
Kunstwerk mit erhöhtem Abstraktionsgrad. Im Lauf der Jahrzehnte
verschob sich die Farbpalette in seinem Œuvre von schweren, schlammigen
Braun-, Blau- und Schwarztönen hin zu helleren, freundlicheren Farben
mit starker Leuchtkraft. Letzteres zeigt sich eindrücklich in seiner ab
2005 einsetzenden Beschäftigung mit der Werkgruppe der Remixes, in der
er sich mit seinen eigenen Werken auseinandersetzt, diese zwar
kompositorisch rekonstruiert, jedoch malerisch einen ganz anderen,
experimentellen und erforschenden Weg einschlägt, der durch seine
Souveränität und Leichtigkeit beeindruckt.
Das Museum dominiert als schräg gestellter weißer Quader gemeinsam mit
dem schwarzen Quader des MUMOK (des Museums moderner Kunst Stiftung
Ludwig) den Haupthof des MQ, dessen Bau zu 75 % vom Bund und zu 25 %
von der Stadt Wien finanziert wurde. Die beiden Neubauten bilden einen
Kontrast zu den historischen Gebäuden der einstigen k.k. Hofstallungen,
die den Hof begrenzen. Der quaderförmige Bau des Leopold Museums hat
einen Grundriss von 40 × 46 m und ist 24 m hoch. Außen ist er mit
weißem Muschelkalk verkleidet. Der Eingang wird über eine zehn Meter
breite Freitreppe erreicht.
MuseumsQuartier Wien
Komplex mit restaurierten historischen/modernen Gebäuden, die einige der besten Museen der Stadt beherbergen.
Kunsthalle Wien Museumsquartier & mumok - Museum moderner Kunst Stiftung Ludwig Wien
Kunsthistorisches Museum Wien
Imposantes Museum aus dem 19. Jh. mit aufwendiger Inneneinrichtung sowie Kunstsammlungen und Antiquitäten.
Naturhistorisches Museum Wien
Palastartiges Museum aus dem 19. Jh. mit umfassenden Sammlungen von Dinosaurierskeletten bis zu Meteoriten.
Maria-Theresien-Denkmal am Maria-Theresien-Platz, 1010 Wien